Die Historie der Stadtentwässerung

Können Sie sich vorstellen, dass es im Jahr 1850 weder eine öffentliche Wasserversorgung noch eine öffentliche Kanalisation gab? Moderne Abwasserleitungen, wie sie heute unter dem gesamten Stadtgebiet verlaufen, waren lange noch nicht in Sicht. Die Arbeit der Stadtentwässerung lässt sich bis ca. 1880 zurückverfolgen. Vor dieser Zeit wurden die Abwässer der knapp 4.000 Einwohner*innen Bielefelds einfach auf den unbefestigten Straßen entsorgt, wo sie dann versickerten. Unter der sechs Jahre währenden französischen Besatzung ab 1807 wurden die Straßen Bielefelds gepflastert, was dazu führte, dass Abwässer nun nicht mehr so leicht in den Boden eindringen konnten. 

Erst 1870 wurden in Bielefeld erste Ableitungen von den Häusern aus in den Stadtgraben gelegt, der rund um Bielefeld verlief. Aufgrund geringer Fließgeschwindigkeiten standen die Abwässer in den Gräben, mit der Folge, dass das Wasser zu faulen begann. Die Ärzte der Stadt stellten bald darauf fest, dass die Anwohner in Nähe des Grabens vermehrt unter schweren Hustenanfällen litten und führten dies auf die unhygienischen Umstände im Gewässer zurück. Um die gesundheitsgefährdende Abwassersituation in den Griff zu bekommen, beschloss die Stadt 1880 die Gründung der Stadtentwässerung. Der Stadtgraben wurde verrohrt und erst außerhalb der bewohnten Gebiete wurde das aus der Stadt abfließende Wasser wieder an die Oberfläche geführt.

Im Zuge der Industrialisierung zog es ab Mitte des 20. Jahrhunderts immer mehr Menschen nach Bielefeld. Die Grenzen der Stadt dehnten aus und so musste auch der Abfluss des Stadtgrabens, der in Richtung Heepen floss, stetig weiter verrohrt werden. Im Bereich des heutigen Stadtteils Baumheide entstanden die sogenannten Rieselfelder. Auf diesen Flächen wurden die Abwässer verteilt. Die dort wachsenden Pflanzen zeichneten sich durch ihre hohe Wurzeldichte aus, so dass sie die „verrieselten“ Wassermengen gut reinigen konnten, bevor diese zurück ins Grundwasser gelangten. 

Mit dem städtischen Wachstum vergrößerte sich auch das Netz der unterirdischen Ableitungen immer mehr. Schnell war klar, dass sich wegen des rasant ändernden Stadtbildes auch ein Weg finden lassen musste, um die Übersicht über das System der Kanäle zu behalten. Ab ca. 1890 begannen die Mitarbeitenden der Stadtentwässerung, Karten mit Planskizzen anzulegen, die die Lage aller Rohrleitungen und unterirdischen Regenwassersammelbecken festhielten. Einige der über 100 Jahre alten Karten haben bis heute Bestand und sind im Kartenarchiv der Stadtentwässerung eingelagert. Bei Bedarf können sie eingesehen werden.