Interview mit Agnieszka Salek

Am 7. März war Equal Pay Day. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bielefeld, Agnieszka Salek, erklärt, was es damit auf sich hat.
Was ist der Equal Pay Day?
Agnieszka Salek: Der Equal Pay Day ist ein Internationaler Aktionstag für gleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Er markiert symbolisch den geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied, der laut Statistischem Bundesamt aktuell 18 Prozent in Deutschland beträgt. Angenommen Männer und Frauen bekommen den gleichen Stundenlohn: Dann steht der Equal Pay Day für den Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer schon seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden. In diesem Jahr arbeiten Frauen also bis zum 7. März umsonst.
Wie ist dieser Tag entstanden?
Agnieszka Salek: Entstanden ist der Tag für gleiche Bezahlung in den USA. Das amerikanische Netzwerk „Business and Professional Women“ (BPW) schuf 1988 mit der Red Purse Campaign ein Sinnbild für die roten Zahlen in den Geldbörsen der Frauen. Diesen Gedanken griff BPW Germany auf und startete 2007 die Initiative Rote Tasche, die den Grundstein für die bundesweite Einführung des Equal Pay Day legte. Der BPW ist eines der größten und ältesten Berufsnetzwerke für angestellte und selbständige Frauen. Inzwischen findet der Equal Pay Day in über 20 europäischen Ländern statt.
Was genau ist der Gender Pay Gap?
Agnieszka Salek: Der Gender Pay Gap beschreibt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Es geht um den prozentualen Unterschied des Brutto-Stundenlohns auf dem Arbeitsmarkt innerhalb eines Staates. Konkret heißt das: Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer. Das hat das Statistische Bundesamt berechnet. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl nur sehr langsam verringert. Damit bleiben wir Schlusslicht im internationalen Vergleich. Nur in Estland, Österreich und der Tschechischen Republik ist die Lücke noch größer.
Was sind die Ursachen?
Agnieszka Salek: Ein Teil dieser Lohnlücke ist strukturell bedingt. Viele Frauen erlernen Berufe, die schlechter bezahlt sind, arbeiten seltener in Führungspositionen, dafür aber häufiger in Teilzeit oder in Minijobs. Doch selbst wenn man diese Faktoren herausrechnet und Frauen und Männer in der gleichen Branche und gleichen Position vergleicht, dann ergibt sich in Deutschland immer noch eine nicht zu erklärende Lohnlücke von sechs Prozent.
Als besonders prägend haben sich in vielen Studien folgende Ursachen herausgestellt:
- Nach wie vor sind traditionelle Rollenbilder immer noch fest verankert. Kein Klischee: Männerberufe und Frauenberufe gibt es noch immer! Ein Blick in die Kitas und auf die Baustellen zeigt, dass sich an der Rollenverteilung auf dem deutschen Arbeitsmarkt wenig verändert hat. Während in einigen der Bau- und Metallberufe deutlich weniger als zehn Prozent der Beschäftigten Frauen sind, beträgt ihr Anteil vor allem in den Berufen des Erziehungs- und Gesundheitswesens mehr als 80 Prozent.
- Doch die von Frauen dominierten Berufe sind nach wie vor unterbewertet, sowohl der gesellschaftliche Wert als auch die Bezahlung. In der Corona Pandemie wurde das sehr deutlich. Der Applaus für die vielen Pflege- und Krankenpfleger*innen zu Beginn der Pandemie ist längst verpufft. Eine bessere Bezahlung muss folgen.
- Frauen übernehmen einen großen Anteil der familiären „Care Arbeit“. Der Spagat zwischen Beruf und Familie führt häufig zu Einschränkungen im Beruf: Teilzeit, Mini-Jobs, befristete Verträge, Beurlaubungen, längere Zeiten der Arbeitslosigkeit. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Lohn- und Einkommensentwicklung aus und am Ende haben Frauen nur halb so viel Rentenanspruch wie Männer.
- In den Führungspositionen sind Frauen nach wie vor systematisch unterrepräsentiert. Ein Umstand, der in einer Vielzahl von Studien untersucht wurde und der sich über die Zeit auch nicht maßgeblich geändert hat. So betrug im Jahr 2021 der Anteil der Frauen in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen 14,7 Prozent, der Anteil der Frauen in den Aufsichts- bzw. Verwaltungsräten der 200 größten deutschen Unternehmen 30,4 Prozent. Und 48,7 Prozent der 200 größten deutschen Unternehmen hatten gar keine Frau im Vorstand.
Warum brauchen wir einen Equal Pay Day?
Agnieszka Salek: Mit dem Equal Pay Day möchten wir eine Debatte über die Gründe der Lohnunterschiede in die Öffentlichkeit tragen und ein Bewusstsein für die Problematik schaffen. Der Aktionstag will sensibilisieren und Entscheidende mobilisieren, damit sich die Lohnlücke schließt. Obwohl Frauen in den vergangenen Jahrzehnten viel für Gleichberechtigung erreicht haben, verdienen sie in Deutschland bis heute durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer. Das ist ungerecht und muss abgeschafft werden.