Museum der Zukunft

Generalsanierung der Kunsthalle beschlossen

Der Rat der Stadt Bielefeld hat in seiner Sitzung am Donnerstag, 19. Mai, die Generalsanierung der Kunsthalle mit einem Kostenvolumen von 40,5 Millionen Euro beschlossen.

So geht es nun nach dem Beschluss weiter

Im 2. Quartal 2022 soll das Vergabeverfahren der Planungsleistungen erfolgen, bevor in 2023 dann die Planungen beginnen können, der Ausschreibung und Vergabe der Bauleistungen folgen. Die Sanierung selbst läuft vom 3. Quartal 2025 bis Ende 2027. In dieser Zeit kann der Museumsbetrieb nicht im Gebäude fortgeführt werden.

Die räumliche und funktionale Komplexität des Gebäudes, die veränderten Erfordernisse seitens der Kunst sowie die vielfältigen Erwartungen der Besucher*innen an ein Museum machen neben dem üblichen Planungsteam – aus Architekt*innen und Fachplaner*innen der erforderlichen Fachrichtungen – eine weitere externe Expertise erforderlich.

Um das von der Kunsthalle Bielefeld aufgestellte Leitbild und Nutzerprogramm zu schärfen und zu konkretisieren, soll ein*e Nutzer-/Museumsberater*in den gesamten Planungs-, sowie Teile des Ausführungsprozesses
begleiten.

Die Wiedereröffnung des Museums ist nach derzeitigem Stand für Anfang 2028 geplant.

Bedeutung der Kunsthalle als Kunstinstitution, ikonischer Bau und identitätsstiftender Ort

In der Kunsthalle Bielefeld stehen Gegenwart und Geschichte im Dialog. Die herausragende Sammlung der Kunsthalle, welche von der klassischen Moderne bis in die jüngste Gegenwart reicht, bildet einen wichtigen Teil des bildnerischen Gedächtnisses der Gesellschaft, deren Werte sich darin spiegeln und die stets neu diskutiert werden.

Die Kunsthalle Bielefeld – mit dem ihr angeschlossenen Skulpturenpark – ist in ständiger Bewegung, wenn sie ihre Werke, historische wie aktuelle, in immer neuen Dialogen präsentiert und sie den Besucher*innen in umfangreichen analogen wie digitalen Programmen vermittelt. Offenheit, Dialog, Verbindung, Bewegung und Transparenz sind Leitbegriffe des musealen Ansatzes und der Vermittlungsarbeit.

Die im Jahr 1968 nach Plänen des US-amerikanischen Architekten Philip Johnson (1906-2005) erbaute Kunsthalle Bielefeld ist dessen einziger Museumsbau in Europa und ein bedeutsames historisches Denkmal. Philip Johnson war ein US-amerikanischer Architekt, Architekturkritiker und Mitbegründer der Abteilung für Architektur und Design am Museum of Modern Art, New York. Seine architektonische Gestaltung schreibt die Kunsthalle ein in die Riege international bedeutender Museumsbauten. Als architekturhistorisch einzigartiges Bauwerk spiegelt sie Johnsons Abwendung von der normativen Moderne des International Style. Er griff der Postmoderne um fast zwei Jahrzehnte voraus wie der in die Beratung eingebundene Architekturhistoriker Prof. Fritz Neumeyer, Berlin konstatiert.

Das Zusammenspiel der massiven Baukörper in den Obergeschossen in ihrem rötlichen Sandstein, der großen Glasflächen im unteren Bereich und der verbindenden vertikalen Bauelemente verleihen der Kunsthalle einen signifikanten Charakter, der das denkmalgeschützte Gebäude zu einem Wahrzeichen der Stadt hat werden lassen. Als städtebaulich gelungenes Ensemble von Bau und Skulpturenpark in der Innenstadt mit einer hohen Aufenthaltsqualität ist es zugleich zu einem identitätsstiftenden Ort für Bielefeld
geworden.

Sanierung als neuer Aufbruch

Nach mehr als 50 Jahren ist der Museumsbau stark sanierungsbedürftig: Schäden am Gebäude, der Technik und im Innenbereich müssen behoben werden. Die konzeptionellen Ansprüche an die Museumsarbeit haben sich gewandelt, was zum Beispiel durch eine Flächenoptimierung berücksichtigt werden soll. Zudem soll die Kunsthalle möglichst klimaneutral betrieben werden, denn die Stadt möchte bis 2030 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand erreichen.

„Die Kunsthalle Bielefeld ist ein herausragendes Museum. Damit das so bleibt, müssen wir jetzt investieren. Wir möchten das ikonische Gebäude behalten und fit für die Zukunft machen, damit es seine Strahlkraft behält und weiter entfalten kann. Die Sanierung ist eine Herausforderung, die wir für die Stadt Bielefeld nutzen möchten. Sanierungen solcher Bauten in anderen Städten haben gezeigt, dass die Öffentlichkeit ein großes Interesse an ‚ihren‘ Wahrzeichen hat. Wir werden daher unsere Arbeit transparent gestalten“, sagt Kulturdezernent Dr. Udo Witthaus.

„Sicherlich ist die Schließung des Hauses für einen Zeitraum von zwei Jahren eine Herausforderung. Der architekturhistorisch und museologisch einmalige Museumsbau verdient es, unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit für künftige Generationen zukunftsfähig gemacht zu werden. Damit geht die einmalige Chance einher, Geschichte nicht nur zu sichern, sondern auch neue Wege im Umgang mit ihr zu suchen. So werden wir die Kunsthalle unter den führenden deutschen und internationalen Museen neu verankern“, so Christina Végh, Direktorin der Kunsthalle Bielefeld.

Sanierungsbedarf in verschiedenen Bereichen

Fünfzig Jahre nach der Errichtung des Gebäudes ist die Flachdachkonstruktion inklusive der großformatigen Oberlichtkonstruktionen im 2. Obergeschoss energetisch und baukonstruktiv sanierungsbedürftig. Auch die Gebäudehülle muss energetisch saniert werden. Als besondere Herausforderung muss bei allen Arbeiten der Denkmalschutz mitgedacht werden; bereits in der laufenden Planung wurden diesbezüglich Experten einbezogen.

Die technische Gebäudeausrüstung (Lüftung, Klimatechnik, Elektrotechnik und Beleuchtung, Verdunklung, Sicherheitstechnik, Brandschutz etc.) ist seit der Inbetriebnahme des Museums nicht grundlegend saniert worden. Hier besteht aus energetischen Gesichtspunkten ein hoher Sanierungsbedarf.

Die Depotflächen sind zur Bewahrung eines seit 1968 gewachsenen Sammlungsbestands zum einen nicht ausreichend groß, zum anderen ist die Verortung in den Untergeschossen des Gebäudes grundsätzlich problematisch. Auch die Anlieferungssituation von Objekten erfüllt heutige Standards nicht hinreichend.

Neue Anforderungen als Ausstellungsort und Funktionen als Dritter Ort

Der Kunst ist ein dynamischer Entwicklungsprozess eingeschrieben und seit den 1970er Jahren sind mit der Installations-, Performance-, oder Filmkunst neue, zunehmend großformatige Kunstformen entstanden. Diese können in der Kunsthalle Bielefeld, die als Tageslichtmuseum ausgelegt ist, aktuell kaum, nur sehr aufwändig oder gar nicht präsentiert werden. Ein zukunftsfähiges, funktionierendes Museum erfordert Räumlichkeiten, die solche Präsentationen ermöglichen („White Cube“).

Die Kunsthalle Bielefeld war seinerzeit in Deutschland das erste Museum, in dem eigens ein Raum für die Vermittlung geschaffen wurde. Die Aufgabenbereiche kulturelle Bildung und Vermittlung haben seit den späten 1960er quantitativ stark zugenommen und wurden konzeptionell stetig erweitert.

Die Kunsthalle Bielefeld bietet pro Jahr etwa 500 Veranstaltungen für verschiedene Zielgruppen an. Sie leistet mit ihrem breiten Vermittlungsangebot einen wichtigen Beitrag zu einer partizipativen Wissensvermittlung für die Stadtgesellschaft. Für diese Nachfrage reichen die vorhandenen Räume nicht annährend aus.

Darüber hinaus übernimmt die Kunsthalle zunehmend auch Funktionen als Dritter Ort. Das heißt, sie versteht sich als offener, demokratischer und dialogorientierter Ort der Begegnung von Menschen in einer diversen Stadtgesellschaft sowie als Ort der alternativen Wissensproduktion, an dem in der Auseinandersetzung mit Kunst gesellschaftliche Werte und alternative Handlungsformen vermittelt werden.

Um zukünftig ausreichend Bildungsangebote und auf den Dritten Ort bezogene Aktivitäten zur Verfügung stellen zu können, ist eine neue funktionale Zuschreibung der Raumkapazitäten notwendig. Die zentralen Ansätze bei der baulichen Sanierung und Modernisierung der Kunsthalle Bielefeld müssen entsprechend in der Überprüfung und Erneuerung der betrieblichen Abläufe, bei der Arbeitsorganisation und ihrem Verhältnis zu den Räumen mitgedacht werden.